nachdenklicher Mann

Ist mein Job sinnvoll? Interview mit dem Coach Dr. Slaghuis

Viele Menschen stellen sich im Laufe ihres Berufslebens die Frage nach dem „Sinn“: Ist meine Arbeit sinnvoll? Und: Was ist überhaupt ein „sinnvoller“ Beruf? Im Interview gibt der renommierte Coach Dr. Bernd Slaghuis Tipps, wie Du mit einer beginnenden Sinnkrise umgehen solltest und erklärt, warum Sinnkrisen auch persönliches Wachstum bedeuten können.
04
Apr
2017

Interview mit dem Job-Coach Dr. Bernd Slaghuis

AVANTGARDE Experts: Herr Dr. Slaghuis, zunächst eine ganz persönliche Frage: Haben Sie sich selbst schon mal die berufliche „Sinnfrage“ gestellt?

Dr. Bernd Slaghuis: Ja, das habe ich und vermutlich war die Antwort auf diese Frage 2010 auch einer der Auslöser, meinen durchaus sehr herausfordernden und spannenden Job als Führungskraft bei einer Versicherung zu kündigen und den Schritt in die Selbständigkeit zu gehen.

In einem Blogbeitrag zum Thema Arbeit und Sinn schlagen Sie nachdenkliche Töne an und verweisen darauf, dass man den Sinn von Arbeit auch differenziert sehen kann. Wie wichtig ist der Sinn der Arbeit tatsächlich? Sind berufliche Sinnkrisen vor allem ein Problem unserer Zeit, Schlagwort „Generation Y“?

Ich verbinde mit Sinn nicht nur eine bestimmte Tätigkeit oder das Ergebnis meiner Arbeit, sondern ein Arbeitsmodell, das zu mir und meinem Leben passt. Neben Sinn sind für mich Freude und Freiheit die wichtigsten Werte im Beruf, die bei mir heute auch weitgehend erfüllt sind.

Mit fast all meinen Klienten mache ich eine Übung zu ihren Werten im Beruf. Auch wenn ich keine exakte statistische Auswertung habe, schätze ich, dass für drei Viertel aller der Wert „Sinn“ zu den Top 3 zählt – und zwar unabhängig von Generationen.

Ich denke, es ist eine Frage des Karriereverständnisses sowie der Karrierephase, in der Berfufstätige in einem bestimmten Lebensabschnitt stecken. Die Sehnsucht nach Sinn und Identifikation im Beruf erreicht aus meiner Wahrnehmung zwischen 40 und Mitte 50 ihren Höhepunkt.

Sinn ist erstmal nur ein Wort mit vier Buchstaben. Viele Menschen haben aber überhaupt keine Ahnung, was mehr Sinn im Job für sie konkret bedeuten würde. „Irgendwas mit Menschen“ höre ich dann oft. Doch was ist das? Jeder von uns hat Menschen um sich herum. Ist Teamarbeit oder die enge Zusammenarbeit in einem Projekt nicht auch „irgendwas mit Menschen“? Sinn im Beruf ist eine Frage der persönlichen Definition.

Sinn im Beruf ist mehr als Menschen zu beraten, Menschen zu helfen oder zu heilen. Für manche Angestellte ist es genug, ein tolles Produkt ihres Arbeitgebers zu entwickeln, mit dem sie sich identifizieren können und das sie sich auch selbst kaufen würden. Anderen ist wichtig, dass sie mit ihrem Tun einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Wieder andere sehen Sinn darin, zum Wachstum eines Unternehmens beizutragen oder als Team gute Leistungen zu erbringen. Sinn ist vielfältig, und die eigene Klarheit darüber, was genau dahinter steckt, ist die Voraussetzung, um Sinn im Beruf auch tatsächlich erfüllend zu erfahren.

nachdenkende Frau

Info

Wie unterschiedlich Menschen den „Sinn“ von Arbeit definieren, merkte Dr. Bernd Slaghuis im Gespräch mit einer jungen Klientin. In einem Blogbeitrag dazu geht er der Frage nach, inwieweit eine sinnvolle Tätigkeit mit unseren Sinnen zu tun hat.

Häufig hört man Klagen über die Schnelllebigkeit, den Zeit- und Leistungsdruck in der heutigen Berufswelt. Sind Menschen, die diesen Druck in ihrem Beruf erleben, etwa im Medien- und Kommunikationsbereich, anfälliger für Sinnkrisen?

Hier sehe ich nur einen indirekten Zusammenhang. Das Empfinden von Sinn und damit auch Sinnkrisen hat etwas mit Bewusstsein zu tun. Wer sich Tag für Tag im Hamsterrad abstrampelt, der läuft Gefahr, den Blick für das große Ganze und damit auch für den Sinn zu verlieren. Da kann selbst die sinnvollste Aufgabe auf Dauer zur Sinnkrise werden.

Ich erlebe in der Beratung auch häufig den komplett gegenteiligen Fall. Menschen, die vor Langeweile im Job frustriert sind und sogar krank werden. Du sitzst Zeit ab, würdest gerne mehr zu tun haben, doch der Schreibtisch bleibt leer oder Du bist dauerhaft intellektuell unterfordert. Auch das ist eine Sinnkrise.

 

liegender Mann mit Laptop und Uhr auf der Brust

Gibt es Ihrer Meinung nach bestimmte Berufsgruppen, die anfälliger für Sinnkrisen sind als andere?

Nein, das glaube ich nicht. Sicherlich gibt es Berufe, die als herausfordernder, abwechslungsreicher oder gesellschaftlich angesehener gelten, jedoch hat Sinn etwas mit persönlichem Empfinden zu tun.

Die Sinnfrage kann sich ein Call-Center-Agent genauso stellen wir der Gehirnchirurg. Dass Ärzte oder Lehrer etwas unglaublich Sinnvolles tun, ist lediglich der gesellschaftliche Blick von außen. Frag mal einen Zahnarzt, wie stark bei ihm nach zwanzig Jahren im Beruf, in denen er jeden Tag in zwanzig Münder guckt, der Sinn noch ausgeprägt ist.

Die Quote der an Burnout Erkrankten ist bei Lehrern hoch. Zu mir kommen viele Lehrer, die raus aus ihrem Job wollen. Nicht immer, weil sie keinen Sinn mehr empfinden, sondern vor allem, weil sie noch einmal etwas anderes machen möchten. Doch auch dann hat dies im Vergleich mit einer neuen Tätigkeit oft etwas mit Sinn zu tun.

Experten-Tipp

Hinterfrage regelmäßig, am besten einmal im Jahr, was Dir heute besonders wichtig ist. Was muss im Beruf und auch im Leben erfüllt sein, damit Du motiviert bist, gute Leistungen erbringen kannst und gesund bleibst?

Die Zweifel am jetzigen Job sind das eine – aber wie finde ich heraus, welcher künftige Job mich mehr erfüllt? Gibt es Tipps, um einer Sinnkrise „vorzubeugen“?

Im Laufe des (Berufs-)Lebens verändern sich unsere Werte. Nach dem Studium oder einer Ausbildung sind uns andere Dinge wichtig als mit Mitte Fünfzig. Viele Angestellte machen Karriere, nehmen neue, vermeintlich attraktive Positionen an oder wechseln den Arbeitgeber, ohne den Wandel ihrer persönlichen Werte bewusst wahrzunehmen. Wer das auf Dauer „verpennt“ und einfach weiter blind seinen Job macht, der wird irgendwann erkennen, dass das, was er täglich tut, nicht mehr dem entspricht, was ihm wirklich wichtig ist.

Findest Du Abweichungen, dann überlege, welche Stellschrauben es gibt, an denen Du drehen kannst, damit diese Dinge wieder stärker erfüllt sind. Oftmals sind es schon kleine Veränderungen, die hilfreich sind – ein Gespräch mit dem Chef oder mit Kollegen oder die Veränderung der eigenen Haltung. Es muss nicht immer gleich der Wechsel des Arbeitgebers oder sogar eine komplette Neuorientierung sein.

nachdenkender Mann

Werden wir mal konkreter. Nehmen wir an, zu Ihnen kommt ein neuer Klient: Er ist vielleicht Mitte 30, hat bereits mehrere Jahre im Marketingbereich Berufserfahrung gesammelt und hat objektiv betrachtet einen „tollen Job“. Und trotzdem ist er unzufrieden und fragt sich, ob er nicht in einem anderen Beruf mehr bewegen könnte. Wie würde Ihr Coaching aussehen?

Wir würden gemeinsam herausarbeiten, was hinter „mehr bewegen“ wirklich steckt. Was ist die echte Motivation? Welche persönlichen Ziele stecken dahinter, mehr bewegen zu wollen? Ist es der Wunsch nach mehr Einfluss, Macht, Status, vielleicht auch mehr Anerkennung, Selbstverwirklichung oder mehr fachliche Herausforderung? Vielleicht steckt auch unterbewusst der Glaube dahinter, alle paar Jahre den Arbeitgeber wechseln zu müssen, um richtig Karriere zu machen?

Wenn dem Klienten klar ist, was ihm heute in seinem Beruf wirklich fehlt, also welche entscheidenden Werte verletzt werden und damit auch, welche echte Motivation für den Veränderungswunsch sich dahinter verbirgt, dann können wir daran arbeiten, welche konkreten Stellhebel er hat, um seinem Ziel näher zu kommen.

Wichtig ist: Veränderung zu etwas Neuem hat auch immer mit dem Aufgeben von etwas Altem zu tun. Ich finde es wichtig, auch das zu hinterfragen. Ist jemand wirklich bereit, für das Neue Altes aufzugeben, und wie hoch ist der Preis hierfür wirklich?

Kann man denn eine berufliche Sinnkrise auch als eine Chance sehen?

Unser Körper sagt uns ziemlich deutlich, wenn etwas nicht mehr stimmt. Was wir als Sinnkrise empfinden, das sind meist die Symptome einer tiefen Unzufriedenheit, die ernst genommen werden sollten. Krisen rütteln wach, sie holen uns aus dem bequemen Automatikmodus raus. Jede Überwindung einer Krise führt dazu, dass wir unsere Komfortzone verlassen und damit neue Erfahrungen sammeln und den eigenen Handlungsspielraum erweitern.

Aktuell wird in den Medien viel über das Scheitern geschrieben und wie wichtig dies nicht nur für die persönliche Entwicklung eines Menschen, sondern auch für ganze Unternehmen sein kann. Doch Krisen und Scheitern werden erst zum Fortschritt, wenn wir sie als Chance zur bewusst gezielten Veränderung und für persönliches Wachstum betrachten.

Mann steht auf einem Fels im Wals

Was sind Ihre Tipps und Empfehlungen für Menschen, bei denen sich die Anfänge einer Sinnkrise bemerkbar machen?

Ruhe bewahren und sich Zeit für sich selbst nehmen. Mach ein Update der eigenen Werte und Ziele und hinterfrage Deine aktuelle Arbeits- und Lebensweise. Blende die Wünsche, Erwartungen und Ziele von Familie, Freunden oder des Chefs aus und frage dich, was wirklich wichtig ist.

Viele Menschen rutschen bei Sinnkrisen in eine Opfer-Haltung hinein und machen andere dafür verantwortlich, dass es ihnen so schlecht geht. Gleichzeitig verlieren sie den Blick und den Glauben daran, dass sie selbst etwas an ihrer Situation verändern können. Das ist einfach und bequem, doch nur wer beim Gefühl einer Sinnkrise als Gestalter und Chef des eigenen Lebens handelt, wird auch einen Weg finden, etwas zu verändern.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Slaghuis sehr herzlich für das Interview!

Wenn auch Du dich beruflich verändern möchtest und nach neuen Herausforderungen suchst, dann wirf einen Blick auf unsere Jobangebote. Bei AVANTGARDE Experts findest Du Deinen persönlichen Ansprechpartner, der Dich auf Deinem Weg zu einem neuen Job begleitet.

 

Bildnachweis: Beitragsbild: © Pexels / Bruce Mars; Bild 1: © iStock/ cyano66; Bild 2: © iStock/ Peshkova; Bild 3: © iStock/ Zinkevych; Bild 4: © iStock/ Solovyova; Bild 5: © Dr. Bernd Slaghuis.

Dr. Bernd Slaghuis

Dr. Bernd Slaghuis ist promovierter Ökonom, Systemischer Coach und Experte für neue Karrieren und gesunde Führung. In seiner Kölner Coaching-Praxis hat er sich auf Anliegen der Karriereplanung und beruflichen Neuorientierung sowie das Coaching von Führungskräften aus dem mittleren Management spezialisiert. Dr. Slaghuis schreibt in seinem Karriere-Blog „Perspektivwechsel“ über seine Sichtweisen auf Karriere, Bewerbung sowie Führung und hält zu diesen Themen deutschlandweit Vorträge und gibt Seminare.

Du findest Dr. Slaghuis auch auf Twitter und Facebook.

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