Das 360-Grad-Feedback (auch: 360°-Feedback oder -Befragung genannt) ist eine Methode zur umfassenden Beurteilung der Fähigkeiten und Leistungen von Fach- und Führungskräften sowie Potenzialträgern aus unterschiedlichen Perspektiven. Dazu zählen die Blickwinkel von Mitarbeitern
Die Methode des 360-Grad-Feedbacks wird seit den 1980er Jahren vor allem in den Vereinigten Staaten verwendet, um Leistungen umfassend zu bewerten.
Damit das 360-Grad-Feedback Unternehmen zum Erfolg führen kann, kommt es einerseits auf die richtige Art der Rückmeldung an den Feedbacknehmer an, andererseits aber auch auf die Validität des Fragebogens (Beispiele findest Du weiter unten).
Wichtig ist zudem der Unterschied zur 360-Grad-Beurteilung: Das 360-Grad-Feedback legt den Schwerpunkt auf veränderbares Kommunikations-, Führungs- und Teamverhalten. Bei der 360-Grad-Beurteilung stehen hingegen Persönlichkeitsmerkmale, also feste Charaktereigenschaften, tief verwurzelte Gewohnheiten und Wertvorstellungen im Fokus – Eigenschaften, die nur schwer veränderbar sind.
Der Wissenschaftler Edward Prewitt hat sich tiefgreifend mit der Methode des 360-Grad-Feedbacks auseinandergesetzt. Die folgenden Punkte sind seinem Artikel aus der Harvard Business Review „Should You Use 360 Degree Feedback For Performance Reviews?“ zufolge besonders wichtig, damit Du und Dein Unternehmen die entscheidenden Vorteile des 360-Grad-Feedbacks erzielen könnt:
Sinn und Zweck des 360-Grad-Feedbacks ist es, übergeordnete Ziele zu erreichen. Das können sowohl persönliche Ziele sein als auch Zielvereinbarungen, die mit dem Unternehmen beschlossen wurden. Fach- und Führungskräfte sind dafür unverzichtbar und sind so gesehen die entscheidenden Leistungsträger. Deshalb geht es nicht darum, solche Mitarbeiter abzuurteilen, sondern sie bestmöglich dabei zu unterstützen, ihr volles Potenzial in ihrer Funktion für das Unternehmen zu entfalten.
Damit die Methode gelingen kann, müssen sich alle Fach- und Führungskräfte Deines Unternehmens vollkommen auf das 360-Grad-Feedback einlassen. Vertrauen sich die Beteiligten nicht gegenseitig, werden weder Feedbackgeber ehrlich sein noch Feedbacknehmer die Rückmeldung ernst nehmen.
Prewitt zufolge kann die Leistungsbewertung bei vielen Feedbacknehmern Ängste auslösen, wenn sie es nicht gewohnt sind, mit Feedback umzugehen. Deshalb solltest Du einen eher weichen Start ins Gespräch finden. Die persönliche Entwicklung des Feedbacknehmers eignet sich hierfür sehr gut.
Bevor Du 360-Grad-Feedback in Deinem Unternehmen nutzt, sollten alle Beteiligten ein ausführliches Briefing erhalten. Das betrifft nicht nur den Nutzen der Methode an sich, sondern vor allem den Umgang mit den verwendeten Fragebögen.
Bei der Nutzung von 360-Grad-Feedback erhältst Du statistische Auswertungen in Form von Berichten. Entscheidend ist, diese zu erläutern. Du solltest aber auch darauf achten, dass Du die Ergebnisse nutzt, sie also in den Entwicklungsplan der jeweiligen Fach- oder Führungskraft integrierst und dabei auch den jeweiligen Vorgesetzten und seine Vorgaben berücksichtigst.
Die Methode des 360-Grad-Feedbacks solltest Du keinesfalls in Krisenzeiten einführen, also wenn beispielsweise Entlassungen oder Umstrukturierungen anstehen. Denn in einem solchen Zusammenhang kann die Einführung schnell den Eindruck erwecken, der eigene Verbleib im Unternehmen hänge von der Bewertung ab. Das gilt es zu vermeiden.
Im Folgenden erfährst Du, wie Du das 360-Grad-Feedback optimal in Deinem Unternehmen etablieren kannst.
Wichtig vorab: Wir empfehlen Dir, erst einmal ein Pilotprojekt mit einem kleineren Umfang zu starten. Hierbei solltest Du beobachten, welche Schwierigkeiten auftauchen und wie sie sich überwinden lassen, bevor Dein gesamtes Unternehmen in den Prozess einbezogen wird.
Damit 360-Grad-Feedback Deinem Unternehmen möglichst viele Vorteile verschafft, musst Du die richtige Einführung sicherstellen. Mit den folgenden Tipps gelingt Dir das:
Bevor Du 360-Grad-Feedback im Unternehmen als feste Methode etablierst, sollte allen Beteiligten klar sein, weshalb Ihr als Unternehmen die Methode gemeinschaftlich nutzen wollt und wozu sie Euch dient. Schon früh für Klarheit zu sorgen und darüber zu informieren, warum Ihr Euch dafür entschieden habt, bewahrt vor Missverständnissen und Fehlentwicklungen.
Damit das 360-Grad-Feedback tatsächlich Wirkung zeigen kann, muss es regelmäßig stattfinden. Wird es nur einmal im (Halb-)Jahr umgesetzt, sind die gewünschten Effekte kaum zu erreichen. Im Prozess solltet Ihr deshalb genau definieren, wie häufig die Gespräche stattfinden sollen und sie entsprechend häufig umsetzen.
Gezielte Tools für 360-Grad-Feedback sollen nicht einfach die direkte Kommunikation ersetzen, sondern diese unterstützen.
Obwohl Anonymität ein wichtiger Aspekt beim 360-Grad-Feedback ist, sollte Feedback nicht ausschließlich indirekt gegeben werden.
Entscheidend ist bei der Umsetzung von 360-Feedback, dass alle Mitarbeiter das Feedback als Anstoß verstehen, um sich weiterzuentwickeln. Deshalb ist das Feedback im Prinzip nur einer der ersten Schritte auf dem Weg zum Wachstum.
Nun geht es um das Kernstück des 360-Grad-Feedbacks: den Fragebogen. Dieser Teil ist wichtig, weil die Qualität der Antworten abhängig ist von der Qualität der Fragen, die Du stellst.
Bei der Erstellung des Fragebogens solltest Du die folgenden Punkte beachten:
Damit Du nicht bei Null ansetzen musst, haben wir hier eine Auswahl von Fragen verschiedener Kompetenzbereiche zusammengestellt, die Du als Ausgangspunkt für die Erstellung Deines Fragebogens nutzen kannst:
Ein Tipp: Mittlerweile nutzen die meisten Unternehmen digitale Tools, um 360-Grad-Feedbacks durchzuführen. Zu den gängigsten gehören beispielweise DecisionWise, SurveyMonkey oder auch Qualtrics. Diese Plattformen stellen selbst Templates mit ausgewählten Fragen bereit, die Du nutzen kannst.
Sobald die Umfrage abgeschlossen ist, geht es um die Auswertung der Feedbackbögen. Die Antworten kannst Du anhand der eingesetzten Skala visualisieren. So kannst Du einfach feststellen, in welchen Bereichen der Feedbacknehmer überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt oder aber, wo noch Aufholbedarf besteht.
Am besten ordnest Du die Ergebnisse nach aktuellen Stärken einerseits und ausbaufähigen Potenzialen andererseits. So kannst Du feststellen, wo Ihr ansetzen müsst, um die Entwicklung des Feedbacknehmers optimal zu befördern.
Abschließend erfolgt die gemeinsame Besprechung des Feedbacks mit der Führungskraft. Hierbei sollte es sich um Einzelgespräche mit dem Feedbacknehmer handeln. Keinesfalls sollte es der direkte Vorgesetzte des Feedbacknehmers sein, der das Gespräch führt, sondern eine unabhängige Partei. So kommt es zu keinen Interessenskonflikten. Die unabhängige Partei kann beispielsweise ein Personaler aus der HR-Abteilung sein oder ein auf 360-Grad-Feedback spezialisierter Berater.
Entscheidend ist, dass Ihr Euch gemeinsam überlegt, welche Verbesserungsmaßnahmen möglich und sinnvoll wären sowie, welche Form der Unterstützung durch das Unternehmen dafür erforderlich ist (zum Beispiel Coachings, Seminare, Lektüre, ein höheres Budget etc.).
360-Grad-Feedback bietet einige wichtige Vorteile, doch es gibt auch Kritikpunkte an der Methode. Wir haben die Vor- und Nachteile für Dich zusammengestellt:
Einer der großen Vorteile von 360-Grad-Feedback liegt darin, das Können und die Potenziale von Mitarbeitern präzise zu erkennen und regelmäßig weiterzuentwickeln. Indem Unternehmen diese gezielt fördern, tragen sie zur gesteigerten Leistung ihrer Mitarbeiter und damit zum Unternehmenserfolg bei.
Anders als bei klassischen Feedbackgesprächen bietet das 360-Grad-Feedback die Möglichkeit einer umfassenderen und gesamtheitlicheren Beurteilung von Leistung und Performance. Diese stützt sich nicht nur auf interne Ansichten, sondern zieht auch externe Einschätzungen hinzu. Daraus ergibt sich eine umfassendere Sicht auf die Leistungen der Feedbacknehmer.
Weil beim 360-Grad-Feedback Anonymität eine der tragenden Säulen für das Gelingen der Methode ist, fällt das Feedback meist deutlich ehrlicher aus als bei der direkten Kommunikation.
Gerade weil deutlich mehr Beteiligte am Prozess mitwirken, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Feedbacknehmer das Feedback annimmt und seine eigenen Leistungen und Qualifikationen hinterfragt.
So wirkungsvoll das 360-Grad-Feedback auch sein kann: Wenn die Bereitschaft bei Geschäftsführung und/oder Belegschaft zur Veränderung und Weiterentwicklung fehlt, kann das Feedbackkonzept noch so ausgearbeitet sein und es wird nichts bewirken können. In einem solchen Fall kann es sehr sinnvoll sein, Change Management zu betreiben. Wie das gelingt, erfährst Du in unserem Artikel „Change Management: Ablauf, Methoden und Tipps“.
Die Belegschaft briefen, einen Prozess finden, individuelle Fragebögen erstellen, sich die Zeit für die Beantwortung nehmen, die Antworten auswerten – mit einem umfassenden Feedbacksystem wie dem des 360-Grad-Feedbacks, ist ein hoher zeitlicher Aufwand verbunden. Bevor Du Dich dafür entscheidest, die Methode in Deinem Unternehmen zu etablieren, sollte Dir das bewusst sein. Vor allem musst Du vorab auch klären, ob Deine Kunden und Geschäftspartner bereit sind, an den entsprechenden Befragungen teilzunehmen.
Wer bei der Formulierung der Feedbackfragen nicht aufpasst, kann schnell Aspekte abfragen, die nicht unbedingt zielführend sind. Du musst genau zwischen Annahmen und Fakten unterscheiden, um sicherzustellen, dass die genutzten Fragen tatsächlich verlässliche, valide Ergebnisse liefern.
Bei einer Methode wie dem 360-Grad-Feedback geht es um die Beurteilung von persönlichen, individuellen Leistungen. Das kann schnell ein heikles Thema sein. Werden die Mitarbeiter nicht ausreichend über die Sinnhaftigkeit der Methode informiert, ist nicht auszuschließen, dass die Gelegenheit zum Feedback genutzt wird, um Frust abzulassen. Das Feedbackformat könnte dann auch zugunsten individueller Ärgernisse genutzt werden.
Ganz gleich, ob Du Dich für das 360-Grad-Feedback entscheidest oder nicht: Um beruflich am Ball zu bleiben, kommst Du nicht darum herum, Dich weiterzuentwickeln. Wie Dir das als Führungs- oder Fachkraft gelingt, erfährst Du in diesen drei Artikeln:
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Wir freuen uns auf Dich!
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